...Moment bitte noch, ich muss mal eben die Schallplatte mit Bachs Brandenburgischen Konzerten auflegen...
Da bin ich wieder. Mit der passenden Musik schreibt sich eine Rezension nämlich merklich flüssiger runter und schubst mich in die passend barocke Stimmung. Heute geht es nämlich gemeinsam nach Potsdam, wo der Alte Fritz einst ein Schlösschen im Rokoko-Stil (Rokoko ist aber ein anderes Spiel, dazu dann beizeiten mehr) mitsamt Gärtchen erbauen ließ. Übersetzt heißt Sans Souci übrigens „Ohne Sorge“ und Französisch war damals, irgendwann in den 1750ern, noch hip, cool und trendy. Heute ließe sich der moderne Monarch wohl ein "Castle Carefree" erbauen. Für sich und vor allem für seine Gattin.
Michael Kiesling nimmt uns mit seinem Legespiel - ohne Wolfgang Kramer, der spaziert noch durch den Park - in diese vorindustrielle Zeit mit Querflötengetriller und preussischer Gradesse.
Die Spieler legen einen Garten an. Deswegen ist Sanssouci auch ein Legespiel. Klar.
Jeder Spiel beginnt mit seinem eigenen Garten, in dem für uns schon einmal von den Gärtnern ein wenig hier gepflanzt, dort gebaut und da drüben ein Weg angelegt wurde. Das Muster erinnert an eine Matrix: Jede der sechs Zeile hat unterschiedliche Farben, jede Spalte ein eigenes Garten-Accessoire (wie Statue, Labyrinth, Rosenbogen). Hübsch aufgestellt warten unsere Adligen schon vor dem Schloss, sofort loslustwandeln zu können. Man hört schon das Scharren ihrer Füße auf dem Kiesbett.
Auf einem zentralen Spielplan liegen auf zehn Feldern (je zwei gehören farblich zusammen) zufällig aufgedeckte Gartenplättchen. Jeder Spieler besitzt den gleichen, eigenen Kartenstapel. Der wird eingangs gemischt und alle beginnen mit zwei Handkarten. Zusätzlich zu den zwei Aufträgen, die zusätzliche Punkte bringen.
Los geht es. Streicher und Posaunen träumen grad so schön, hinten im Raum.
Bin ich am Zug, spiele ich eine Handkarte und nehme mir das passende Plättchen, lege es an und bewege anschließend einen Adligen. Ich fülle Hand und Auslage auf, Nächster. Sanssouci spielt sich flott von der Hand!
Und wer nun sagt: „Pah, zwei Handkarten, von denen eine gespielt wird, das ist ja zu einfach,“ der übersieht, dass auch das Leben als barocker Gartenbaumeister kein Brandenburgisches Wunschkonzert ist. Denn oft genug hat man ausgerechnet das nicht auf der Hand, was man eben braucht. Taktik und Improvisationsgabe sind also gefragt.
Es gibt nur einen Joker. Der ist super und erlaubt die freie Wahl eines Plättchens. Ansonsten geben mir entweder zwei Farben oder das Motiv in einem ziemlich engen Korsett vor, was ich nehmen muss. Spiele ich hingegen ein Motiv, das nicht verfügbar ist, zählt die Karte als Joker. Eine Konstellation, den es zu erstreben gilt. Denn sie macht uns flexibel wie ein Rosenstock im Herbstwind.
Die Plättchen werden passend platziert auf die Kreuzung Farbe/Motiv des eigenen Plans. Dafür gibt es immer nur eine eindeutige Möglichkeit. Ist das Feld bereits belegt, verwandelt sich das Motiv in einen Gärtner (umdrehen!), der eines der vier benachbarten Felder belegt. Das kann gut sein, denn so schlage ich Brücken zu Plättchen-Inseln in meinem Wegesystem.
Auf diesem wandern nämlich meine neun Adligen - pro Spalte einer - nach unten. Beim Lustwandeln dürfen sie Abbiegen, müssen am Ende meines Zugs aber wieder in ihrer Spalte ankommen. Je tiefer ein Adliger in die Parklandschaft vordringt, desto mehr Punkte gewinne ich. Und weil es in den Gärten doch so schön und frische Luft gesund ist, kehrt kein Blaublut wieder zurück; er geht immer nur in die eine Richtung: Weg vom Schloss. Den Blick der Neuzeit zugewandt.
Am Ende gibt es Siegpunkte für erfüllte Aufträge, während des Spiels verdiente Punkte und komplette Reihen und Spalten.
Wie bei den Terrassen des Park Sanssouci entsteht auf unseren Spielplänen ein Muster aus Zierpflanzen und Kunstbauwerken. Anfangs konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass das Spielprinzip auch prima „Die Bergwerkstollen vom Alten Fritz“ hätten heißen können. Das ist natürlich nicht ganz so familientauglich wie der berühmte Park vor Berlin. Und dann hätte man auch keine Flyer für die Denkmäler in Berlin und Brandenburg dazulegen können. Und dennoch: Tunnel graben, Edelsteine bergen und Arbeiter bewegen hätte thematisch genauso Sinn gemacht. Bergbau hat das Kramer/Kiesling-Duett aber schon woanders untergebracht (Glück Auf ist ein anderes Spiel, wozu es beizeiten mehr gibt).
Wie ein geruhsamer Spaziergang durch die künstlich angelegten, weitläufigen Gärten marschiert beiSanssouci jeder für sich und selten begegne ich einem Mitspieler. Vielleicht schnappt er mir mal ein Plättchen weg oder ich hoffe im Gegenzug, dass endlich einer den letzten Weinstock, nimmt, damit meine Weinstock-Karte zum Joker wird. Ansonsten werkelt aber der Tisch friedlich en solitaire vor sich hin. Ab und zu schaue ich auf den Plan eines Mitspielers, wenn dieser fröhlich grunzend mittig eine komplette Spalte vollbekommt, weil er von dort aus prima nach links und rechts in den tieferen Regionen weiter legen und Adlige ziehen darf. Das versuchen wir natürlich alle, weil es die Punkteausbeute maximiert.
Dennoch fasziniert Sanssouci dank seiner einfachen Regeln, der klaren geometrischen Zeilen/Spalten-Struktur und vieler kleiner Entscheidungen, aus denen man sich einfach nicht winden kann. Professionelleren Gartenanlegern setzt Ravensburger die Messlatte mit der beiliegenden Erweiterung noch etwas höher. Damit erhält jeder Spieler eine kleine Tafel mit Sonderfeldern, die er auf seinen Garten legt. Sie belohnt und bestraft das Platzieren bestimmter Motive oder der Gärtner. Die Legearbeit wird noch kniffliger.
Wir puzzeln vor uns hin und versuchen, aus den Handkarten das beste zu machen. Das gelingt manchem mehr, manchem weniger. Das Glück spielt hier natürlich eine Rolle - aber die Spieldauer ist mit einer halben Stunde angenehm kurz, das Spielgefühl leicht und locker und die Entscheidungsmöglichkeiten für Familienspieler ausreichend. Spielekennern mag das alles zu harmlos sein, zu oft liegen ihnen die Zugmöglichkeiten auf der Hand und der generelle Einfluss auf das Geschehen wird hinterfragt. So sieht sorgloses Spielen aus: Wenig anstrengend oder aufregend und gemütlich die Nerven schonend. Eben wie ein kurzer Spaziergang durch den Park.
Trotzdem besticht Sanssouci durch einen geheimnisvollen Wiederspielreiz, beim nächsten mal doch alles noch ein bisschen besser zu machen.
So wie jetzt bei mir; ich könnte es nach dem Schreiben dieser Zeilen schon wieder spielen.
Die Bach-Platte ist nämlich auch fertig. Fin!